Oft erreichen mich Anfängerfragen per Email – die wahrscheinlich häufigste Frage lautet: „Soll ich mit Vinyl oder CDs oder MP3s auflegen?“ – So simpel die Frage klingt, leicht zu beantworten ist sie nicht! Nicht nur hängt diese Entscheidung von den eigenen Präferenzen ab, nein, die Wahl des Mediums spielt auch eine große Rolle für die gesamte Karriere eines DJs.
Vinyl ist tot. Lang lebe Vinyl.
Schallplatten gibt es seit den 50ern und seitdem sind sie nicht „totzukriegen“. Etablierte DJs schwören auf die einzigartige Atmosphäre des wahrscheinlich immer noch beliebtesten Abspielmediums für Musik – Neo-DJs jedoch möchten sie verbannen und wechseln zu CDs und sogar MP3s.
Obwohl also die umgangsprachlich „Schallplatten“ genannten Polyvinylchlorid-Produkte (abgekürzt und sehr geläufig PVC!) technisch längst durch langlebige Medien (CDs, DVDs, Blueray, etc.) und völlig digitale Pseudo-Medien (MP3, MP4, etc.) ersetzt werden könnten, vollzieht sich der allgemeine Wechsel nur sehr schleppend.
Ich habe kürzlich gelesen, dass viele Clubs sogar darauf bestehen, dass ihre gebuchten Deejays garantiert nur Vinyl zur Erheiterung des Publikums verwenden. Das hat wahrscheinlich viele Gründe, z.B. Urheberrechtsfragen, Originalität, etc.
Digitale Deejays sind keine richtigen Deejays
Etablierte (altmodische) DJs haben nicht viel für die Neo-DJs übrig, da diese durch neumodische, digitale Effekte die „wahre Kunst“ des Auflegens 1. zerstören und 2. in Verruf bringen. Beide Vorwürfe sind natürlich völlig aus der Luft gegriffen und zeugen von massiver Angst vor der Zukunft der Medien / des Entertainments.
Auch DJs, die ausschließlich MP3s verwenden, können einen Club und all seine Besucher glücklich machen. Es gibt Gerüchte darüber, dass jeder einzelne es bemerken würde, wenn beispielsweise Sven Väth mit MP3s statt Schallplatten auflegen würde…
Ich glaube das nicht. Selbst wenn es so wäre: Was spielt das für eine Rolle? Irgendwann wird die Schallplatte ebenso „ausgestorben“ sein wie Kassetten. Irgendwann (viel später) wird es auch keine CDs mehr geben. Alles wird digital und das ist nicht schlimm, sondern gut. Zumindest für diejenigen, die sich an den Lauf der Zeit anpassen können/wollen.
Buch : Schallplatte = E-Book : MP3
Wie du vielleicht bereits gemerkt hast, verkaufe ich meinen DJ Ratgeber als digitales Buch, als E-Book. Das funktioniert sehr gut und ich weiß die Vorteile einer digitalen Produktion zu schätzen. Die Produktionskosten sinken, der Ertrag steigt. Medien werden durch Digitalisierung portabel und passen in jede Westentasche.
Der moderne DJ von morgen wird seine Geräte in einem handlichen Aktenkoffer zum Club transportieren und keine Lastwagen voller Schallplatten zum Ort seines Auftritts bringen lassen – an diesen Gedanken solltest du dich schon jetzt gewöhnen!
Noch vor ein paar Jahren haben Verleger, Autoren und sonstige mit dem Verlagswesen vertraute Menschen nur gelächelt, wenn man ihnen von einem „Morgen“ erzählt hat, in welchem auf Papier gepresste Buchstaben überflüssig wären. Man hat laut gelacht, wenn von digitalen Bücherregalen erzählt wurde.
Heute allerdings verkaufen sich sogenannte E-Book-Reader (Amazon’s Kindle allen voran) wie verrückt! Die Zeitspanne, die zwischen selbstsicherem Belächeln der neuen Idee und schierer Angst vor der unfassbaren Jetzt-Realität liegt, beträgt nur wenige Jahre.
Ob es in naher Zukunft einen ähnlich „plötzlichen“ Wechsel von der Schallplatte zur digital gespeicherten MP3 geben wird, kann ich nicht beantworten; allerdings vermute ich einfach und sage ja.
Vinyl/CD/MP3: Letztlich eine Kostenfrage
Um eine ansehnliche Plattensammlung vorweisen zu können, braucht ein Deejay nicht nur viel Zeit zum Sammeln, sondern auch viel Kapital, um sich die kostbaren Vinyl-Produkte überhaupt leisten zu können.
CDs sind ungleich günstiger und leichter zu vervielfältigen (Sicherungskopie, etc.) und auch die Geräte, um das „neue Medium“ abzuspielen, zu mixen und zu manipulieren, sind günstiger als eine Topausrüstung für Vinylfetischisten.
MP3s schließlich kosten in der Herstellung so gut wie nichts – die Preise liegen meist circa 10-20% unter denen von handelsüblichen CDs. Da mittlerweile sogar Radiowecker für 10,- Euro MP3s abspielen können, erübrigt sich die Frage nach den Preisen für passende Abspielgeräte, oder etwa nicht?
Fazit: Aufwachen, liebe Deejays!
Ich glaube, dass die Menschen sich schlicht und wenig ergreifend an Vinyl gewöhnt haben und sich davon das beste Musikerlebnis versprechen. Physikalische, biologische oder gar haltbare psychologische Gründe dafür kenne ich jedoch nicht! Eine FLAC-CD klingt besser als eine Schallplatte und eine MP3 in höchster Qualität klingt fast ebenso gut.
Ich denke auch, dass die fast schon fanatischen Gegner der neuen Medien einfach nur zu stolz sind, ihre langjährig angewachsene Plattensammlung endlich aufzugeben, um Raum für Neues zu schaffen…
Was meinst du?